Elsa Prochazka reflektiert mit ihrem Entwurf Gegenwart und Vergangenheit der wienerischen Architektur, sodaß eine synthetische Wirkung erzielt wird, die in der ausgeprägten Eigenständigkeit Vergleichbares sucht. Wenn man sich die gegenwärtigen europäischen Architekturtrends vor Augen führt, so läßt sich ziemlich klar der Hang zum orthogonalen Raumkonstrukt erkennen. Und weil ja alle Architekten vermitteln wollen, daß sie sparsam sind (oder sein müssen), wird die Aussage über die Materialien, meist in der dekorativen Triole Holz-Stahl-Glas, noch verstärkt. Elsa Prochazka beschreitet einen anderen Weg. Der weitverbreitete Typus der "Schachtel" mutiert in der "Frauen-Werk-Stadt" zur Schatulle, wo etwas Kostbares, nämlich Kinder, beherbergt wird. Fern eines jeden schicken Pauperismus wurde hier die Nobilitierung des Raumes mit Unterstützung durch jene Materialien betrieben, die die spezifische Wiener Moderne eines Josef Frank oder Ernst Lichtblau bereits vorgezeichnet hat. Die Konzeption ist dennoch klar gefaßt und kommt ohne ein plastisches Raumkunstwollen aus. Der Baukörper mit den drei Gruppenräumen steht im rechten Winkel auf den kubischen Stützen, die Naßzellen und Stauräume für den Gebrauch der Außenflächen aufnehmen. Auf diese Weise erhält das Gebäude seine präzise Autonomie, die gewünschte Orientierung und zusätzlich gratis regengeschützte Spielflächen an der Unterseite. Die Erschließung der Gruppenräume und Freibereiche entbehrt bei Elsa Prochazka jeder Lapidarität. Die Erker - häufig wiederkehrendes Motiv der Architektin - entlang der Ostseite verwandeln die Korridorsituation in ein differenziertes Raumangebot zum Malen, Schreiben und Spielen, wobei das Rundfenster am Abschluß des Ganges an Josef Franks Villa in der Wattmanngasse erinnert. Gleichzeitig eröffnen die Erker im gemeinsamen, abstrakten Spiel der Fensterformen Sichtachsen zwischen innen und außen, können also das Interesse der Kinder an der Wahrnehmung der Architektur fördern. Ein kleiner manieristischer Kringel, der die Ernsthaftigkeit der Komposition wieder zu relativieren versteht, findet sich mit Regenrinnen, die über die Erkermitten verlaufen. Das Material für die Fassadenhülle - braunorange gefärbte Glastafeln - läßt die Gebäudehaut transparent erscheinen und verleiht ihr gleichzeitig jene noble Wirkung, die aus dem Kindertagesheim ein geschmeidiges Futteral für Kinder macht. Die Farbtöne der Werkstoffe in den Gruppenräumen und die Lichtführung über Sheddächer unterstreichen wieder die Bedeutung der Bauaufgabe aus der Sicht der Architektin, die letztendlich dem Wohlfühlen aller Benützer dient. Dazu zählen auch als formale und funktionelle Pendants der geschlossenen Erker im Osten die offenen Loggien an der Westseite, wo sich eine gemeinsame Terrasse über die Gebäudefront zieht und die Spielflächen an der Unterseite zugänglich sind. Pflanzengerüste auf der Terrasse, ein Biotop an der Ostgrenze des Areals und wachsende Weidensträuche für eine Laubhütte werden künftig aus diesem Kindergartenheim ein intimes Ambiete schaffen, das an die ursprüngliche Existenz eines unberührten Grünraumes erinnert. _ Text (gekürzt): Gert Walden Stand der Dinge, Kindergärten, Wien Hrsg. Stadtplanung Wien, 1998 deutsch/englisch |